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Montag, 25. Dezember 2017

Eine Weihnachtserinnerung: Mein Schaukelpferd

Meine Kindheit war kompliziert. Ich selber habe das damals natürlich nicht so gesehen: es gab meinen Vater, James, der alles für mich war, und es gab meine Mutter, Eleonore, die mir immer fremd war (und ich ihr ebenso). Und es gab meinen Bruder, Vincent,  von dem ich nicht wusste, das er mein Bruder war. Und dann gab es noch meinen leiblichen Vater,
von dem ich nicht wusste, das er mich mit meiner Mutter gezeugt hatte. Ich glaube, wenn ich zurückblicke, hatte mein Vater es all die Jahre geahnt, vielleicht sogar gewusst, aber dennoch war er mein Vater und ich war sein Sohn.

Ich war als Kind oft krank. Es spielte keine Rolle, ob es Sommer war oder Herbst, Winter oder Frühling. Ich war immerzu krank. Husten und Schnupfen, Fieber und Knochenschmerzen. Mir kommt es nun, da das alles so lange zurückliegt, ganz so vor, als habe mein Vater sich nur um mich gekümmert. Immerzu war er an meinem Bett, trug mich an die Luft, brachte mir Essen auf mein Zimmer, nahm meine Temperatur, las mir Geschichten vor und sagte mir, das alles gut werden würde.

Ich war ungefähr sieben Jahre alt. Es war Weihnachten. Ich war wieder krank. Ich hatte starkes Fieber. Vater tat alles, das es mir rasch besser ginge. Er machte Wadenwickel, legte mir Eis auf die Stirn, gab mir Kräutertee und Hühnerbrühe. An Heiligabend wachte ich Nachmittags auf und fühlte mich gut. Nicht gesund, aber gestärkt. Es war bereits dunkel draußen, als ich ein Glöckchen klingeln hörte. Ich hörte eine Stimme leise meinen Namen rufen. Das Glöckchen bimmelte wieder. Ich stand auf, wickelte mich in eine Decke, und stieg die Treppen zum Wohnzimmer hinunter. Und dort wartete eine Überraschung, wie ich sie niemals vergessen werde:
Ein großer Weihnachtsbaum stand in der Mitte des Raumes, geschmückt mit Holzfiguren und Glaskugeln, mit Lametta und einem großen Stern auf der Tannenspitze. Eine Lichterkette rankte sich um die Zweige, und ich sah die freudigen Gesichter in dem hellen Schein.
Mein Vater nahm mich in die Arme, die Tränen liefen ihm über die Wangen. Er sagte mir, er habe ein Geschenk für mich. Ich war sehr aufgeregt. Er ging in das Nebenzimmer und kam kurz darauf wieder, mit einem riesigen, in Papier eingewickeltem Etwas auf den Armen. Er stellte es am Baum ab und sagte:
"Mach es auf, Danny, es ist nur für dich."
Ich traute mich nicht, das Papier einfach abzureißen, er hatte sich große Mühe gegeben mit dem Einpacken. Doch als ich das Gesicht in dem Papier sehen konnte, das mich mit glänzenden Augen ansah, konnte ich es nicht mehr erwarten. Ich beeilte mich, mein Geschenk endlich ganz sehen zu können. Und dann stand es vor mir: ein Schaukelpferd! Es war aus dunkelbraunem Holz, hatte ein rotes Halfter und helle Mähne. Auch der Schweif war hell, und es war so groß, das meine Füße grade den Boden berührten. Ich saß sofort auf und schaukelte.
Mein Vater strahlte mich an, und Mutter lächelte und strich mir über den Kopf.

Es war das schönste Weihnachtsfest, das ich als Kind je erleben durfte, und es wird mir auf ewig in Erinnerung bleiben.


1 Kommentar:

  1. Cowboy, Deine kleine Reise in die Vergangenheit ist herzerwärmend, rührend und wunderschön! Halte sie fest, sie wird Dich in kalten Zeiten wärmen und Dir Trost spenden. Danke, das Du es hier veröffentlicht hast! <3

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