Labels (Schlagworte/Tags)

Samstag, 23. Dezember 2017

Sammys wauschönes Weihnachtsabenteuer - Kapitel 20



20. Die große Reise 



Niki hatte sich gebürstet und den Bart frisiert. Sein Schnurrbart war gekämmt und die Wangen rosig. Er sah überhaupt wie aus dem Ei gepellt aus. Die Hosen waren, obwohl er die ganze Zeit auf dem Sofa geschnarcht hatte, kein bisschen verknittert, und auch sein Hemd schien gestriegelt und geschniegelt. Misha begrüßte Sammy mit einem freudigen Schwanzwedeln, und obwohl Sammy erstaunt war, war er doch sehr erfreut, Misha nun zutraulicher vorzufinden.
"Na, mein neuer, alter Freund," begrüßte Niki ihn mit offenen Armen und einem breiten Grinsen, "bereit für eine nächtliche Tour?"
Sammy konnte sich vor Freude kaum halten. Er umrundete Niki, sprang leicht an ihm hoch, wollte sein Gesicht abschlecken. Niki lachte aus vollem Bauche, er bebte und schüttelte sich vor Frohsinn.
"Dann wollen wir mal aufbrechen!" Er klatschte munter in die Hände.
Sie traten in die Garage, in der sein Weihnachtsschlitten stand, den Sammy ja bereits kannte. Misha staunte, seine Augen weiteten sich.
"Wow!" sagte er, leise pfeifend. "Das nenn' ich mal einen Schlitten!" Er betrachtete das Gefährt von allen Seiten. Das bläuliche, leicht silbern glitzernde Metall war von einem weißen Schimmern überzogen. Die Farbe der Applikationen am Gestänge erinnerten Sammy an das helle Blau der dicken Nähte an Nikis Anzug. Die polierten, enormen Kufen glänzten. Die unterschiedlichen Beutel waren verschwunden, es gab lediglich noch einen violettfarbenen Beutel, einen großen, nein, riesigen Sack im hinteren Teil des Schlittens. Den goldenen Beutel mit dem magischen Staub, der den Schlitten zum Fliegen brachte, hielt Niki bereits in Händen, ehe die beiden Vierbeiner einstiegen und rechts und links von ihm Platz nahmen.
Bedächtig lenkte Niki den Schlitten ins Freie, zog noch einmal seinen Mantel zurecht, überprüfte, ob der Gürtel richtig saß, sah sich noch einmal im Schlitten um, und warf dann eine Prise Staub auf den Schlitten. Das goldene Pulver rieselte sanft auf sie nieder. Nach einem kleinen Augenblick begann der magische Staub zu funkeln und schillern, wechselte von Farbe zu Farbe, mal grün und gelb, mal rot und blau und violett, mal orange und dann wieder silbern... und der Schlitten erhob sich seicht in die Luft. Misha rutschte nervös auf dem Sitz hin und her. Niki streichelte beruhigend seinen Kopf und sagte lächelnd:
"Nur keine Angst, lieber Junge, das wird die Fahrt deines Lebens!"
Sammy wedelte gedankenverloren und hielt die Nase in den aufkommenden Wind. Sie entfernten sich rasch und in hohem Bogen vom Boden. Misha war das nicht geheuer, auch wenn er an diesem Tag schon das zweite Mal in einem solchen Gefährt saß. Er fühlte sich unsicher und presste sich eng an Niki. Doch schon nach kurzer Zeit glitten sie lautlos dahin, nur das Strahlen und Schimmern des magischen Staubes vor sich. Die prächtigen Farben durchzogen die ganze mögliche (und unmögliche) Farbpalette, sprühten hin und wieder Funken oder bildeten kleine Sterne mit Schweifen. Das melodische Glöckchensingen des Zauberpulvers erfüllte sanft summend die Luft. Das Glittern ließ Mishas Angst schnell verschwinden, und nach einem Moment freute er sich auf diese Fahrt. Es gab doch so viel zu entdecken! dachte er sich. Er bedachte Sammy mit einem neugierigen Blick. Der andere Vierbeiner lehnte sich über den Schlittenrand, als wäre das schon normal für ihn, und Misha fragte sich, ob er es auch wagen solle? Schließlich fasste er sich ein Herz und tat es Sammy gleich: er beugte sich ein wenig vor, stützte die Pfoten auf die Lenkstange, und sah hinaus in den Himmel, den sie durchschnitten. Die Sterne glänzten in atemberaubender Pracht und leuchteten ihnen den Weg.

"Nun, meine lieben, pelzigen Freunde," Niki sah einen nach dem anderen seiner Begleiter an, "werden wir die Gaben ausliefern."
"Wie funktioniert das?" wollte Sammy aufgeregt wissen.
"Ich bringe ihnen wie im Traum die Geschenke, die wir im Dorf herstellen. Ihr müsst wissen, ich spüre die Wünsche der Menschen das ganze Jahr über in mir. Ich kann sie hören, kann sie fühlen. Gesundheit oder Glück, die wahre Liebe oder den Wunsch nach einem Kind kann ich ihnen nicht erfüllen, dafür ist -" und er blickte Sammy zwinkernd an, "jemand anderes zuständig. Die Geschenke, die wir herstellen, entstehen durch die Wünsche der Menschen. Sie formen sich im Geiste der Meister-Designer. Am heiligen Abend liefere ich ihnen nur das aus, was sie mir mitgeteilt haben."
"Ganz versteh' ich das nicht," warf Misha nachdenklich ein und bedachte Niki mit einem eindringlichen Blick. "Wie soll das gehen?"
Niki lachte und streichelte Misha durch das wollige Fell.
"Mit Magie!" sagte er lächelnd.
"Aber wenn sich einer ein Haus wünscht oder ein großes Auto?" hakte Misha nach.
Niki lachte lauthals: "Dann muss er schon ein bisschen selber etwas dafür tun! Wir sind lediglich für die kleinen Freuden des Lebens zuständig."
Misha musste lachen. Anfangs schien es ein Knurren, das sich dann in schallendes, fröhliches Bellen steigerte. Sammy stimmte mit ein.
"Und jetzt geht's los!" rief Niki und warf eine winzige Prise Staub über den Schlitten. "Gut festhalten, meine Freunde!"

In einer weichen Schleife flogen sie hinunter auf ein kleines Gebiet. Erst konnte man nur ein paar vereinzelte Lichter erkennen, die von rasend schnell näher kommenden Laternen abgegeben wurden. Dann sah man Bäume, Sträucher, Wege, Häuser, Autos, Schornsteine... und flugs war alles wieder verschwunden. Sammy und Misha wurde ein wenig schwindelig. Sie hatten kaum Zeit, sich zu fangen, als sie sofort wieder in einer Kurve auf ein anderes Gebiet zurasten. Wieder wurde die Erde, die Gebäude, die Autos und alles, was sich darauf befand, für einen Sekundenbruchteil deutlich, zum Greifen nahe, dann waren sie schon wieder weg, hoch am Himmel. So ging es noch einige Male, und Sammy konnte sich kaum auf dem Sitz halten.
Dann verlangsamte der Schlitten sein Tempo. Der magische Staub nahm eine silberne Farbe an und glitzerte nur noch mild in der Dunkelheit. Die Sterne wurden wieder erkennbar.
Die Hunde erholten sich etwas.
"Whooho, was war das?" rief Misha, mit leicht zitternder Stimme.
"Ich werde euch beiden helfen, das besser wegzustecken," sagte Niki. Er hielt den Schlitten gerade in der Luft, als schienen sie zu stehen, und griff in seine Hosentasche. Ein wenig mühsam war das schon, denn er musste erst den Mantel zur Seite wuchten und den Gürtel verschieben. Dann verteilte er ein wenig Staub aus einem blauen Säckchen über den Vierbeinern.
"Wie ihr mitbekommen haben werdet, leben wir in der Weihnachtswelt in einer völlig anderen Zeitlinie. Die Magie gestattet es mir, die Zeit zu verschieben. Was für die Menschen Tage oder Wochen dauert, kann ich auf einen Sekundenbruchteil reduzieren. Die heilige Nacht, in der ich Geschenke ausliefere, ist zwar hier eine Nacht lang, doch für mich dauert sie nur ein oder zwei Minuten, und dann habe ich die gesamte Welt bereist."
Nachdem Misha seiner Sinne wieder vollends Herr war, sah er Niki erneut mit seinem fast bohrenden, kritischen Blick an.
"Du spielst an der Zeit herum?"
"Wenn du es so ausdrücken willst, ja. Ich biege die Zeit, doch ich halte sie nicht an. Ich bewege mich nur einfach schneller."
Mishas Blick hellte sich schlagartig auf, und auch in Sammys Ohren klang diese Erklärung einleuchtend.
"Ich manipuliere lediglich meine eigene Zeit, nicht die der anderen," sagte Niki nachdrücklich und legte Ernsthaftigkeit in seine Stimme. Dies schien ihm offenkundig schwer, denn er musste schon wieder lachen. "So, weiter geht's," rief Niki und wollte eben in das goldene Beutelchen greifen, als Sammy schnell einwarf:
"Moment noch, Niki! Und wann genau lieferst du die Geschenke aus? Ich meine, du legst sie doch unter die Weihnachtsbäume?"
"Aber natürlich! Auch das ist eine meiner magischen Fähigkeiten. Wie wäre es denn, wenn ich euch gleich mitnehme. Dann müsst ihr nicht im Schlitten warten und euch den Kopf zerbrechen."
"Warten?" rief Misha laut lachend. "Wann bitte haben wir denn auf dich gewartet?"
Niki lachte so schallend, das der ganze Schlitten bebte.
"Habt ihr," nickte er, "ihr habt es nur nicht mitbekommen. Die Zeit eben, die Zeit, meine Freunde." Und dann, mit Nachdruck: "Jetzt geht's richtig los! Gut festhalten!"

Nach einigem Hin- und Hergeruckel, zack-nach-hier-und-schwupps-nach-dort-Abbiegern und harten Schwenkern, hielten sie abrupt in einem Vorgarten. Sie schwebten dicht über dem Boden, nur ein oder zwei Zentimeter vom Grund entfernt. Die Bäume, die den Garten einsäumten, schienen sich im Wind zu biegen, doch die Äste und flatternden Blätter waren wie eingefroren. Nichts regte sich. Ein Mann, der auf dem Gehweg lief, hielt mitten in der Bewegung inne. Während Sammy und Misha Niki groß ansahen, griff dieser auf den Rücksitz und packte den großen, violettfarbenen Sack, den er sich über die Schulter schwang. Dann blinzelte er nur mit beiden Augen, und unvermittelt befanden sie sich im Inneren des Hauses. Alles war stockdunkel, man konnte die Hand nicht vor Augen sehen. Mit einem Griff in einen hellgrünen Beutel, den Niki aus seiner Manteltasche zog, wurde es aufeinmal schummrig hell. Sie gingen gemeinsam ins Wohnzimmer, Niki selbstsicher voraus, während die Hunde sich etwas ängstlich umsahen und -hörten.
"Ihr könnt ruhig reden," sagte Niki, und nickte ihnen zu. "Niemand wird euch hören. Und niemand wird uns sehen."
"Die Zeit ist gebogen, nicht wahr?" fragte Misha unsicher. Er lief auf Niki zu, der sich an dem großen Sack zu schaffen machte. Er griff hinein, wühlte einen Moment, und schon hatte er ein Geschenk herausgezogen. Er legte es behutsam unter den Weihnachtsbaum, der neben dem Fenster stand. Misha lehnte sich auf's Fensterbrett und sah hinaus. In der Tat stand dort der prunkvolle Weihnachtsschlitten, und der Mann auf dem Gehweg war noch immer in seiner Bewegung erstarrt.
"Ich kann es gar nicht glauben," sagte Misha geistesverloren, und winkte Sammy zu sich. Dieser war noch sehr unsicher, folgte jedoch, und lehnte sich ebenfalls auf das Fensterbrett. Sie betrachteten den eingefrorenen Mann eine Weile, ehe sie sich wieder Niki zuwandten. Dieser stand an einem hohen Esstisch und hatte sich ein paar Kekse geschnappt, die dort auf einem Teller zu finden waren.
Wie ertappt sah er die beiden schmunzelnd an, schluckte seinen Imbiss schnell hinunter, und sagte:
"Glaubt es nur, meine Freunde, es ist kein Traum!"
Sie beiden Hunde richteten ihren Blick wieder verblüfft auf die Straße. Auch die Bäume, die Blätter, kein Ästchen oder Krümel hatte sich bewegt. Alles regungslos.
"Probiert die Kekse," hörten sie dann Nikis brummende Stimme, "die sind wirklich hervorragend! Selbstgebacken, einfach schmackhaft!"
"Und er muss es wissen," wisperte Sammy Misha kichernd zu.
Nun löste auch Misha sich lachend vom Fenstersims. Sie schnappten sich ebenfalls ein paar Leckereien, dann kehrten sie zum Schlitten zurück.
Niki lotste den Schlitten behutsam nach oben. Nur zaghaft entfernten sie sich vom Boden. Als sie zwar hoch gestiegen, aber alles noch in guter Sichtweite war, begann sich alles schleichend wieder zu bewegen. Dann war alles mit einem Mal verschwunden, und das Sternenzelt hüllte sie wieder ein.

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen

hier Deinen Senf dazugeben 😉

Nähere Informationen, welche Daten bei Kommentaren übermittelt werden entnehme bitte unserer ➤ Datenschutzerklärung.

Archiv